In seinem Buch
„Monetäre Modernisierung“ stellt Joseph Huber auf den Seiten
53ff. die Currency- Theorie der Banking-Theorie gegenüber, und sagt
dann irgendwie als Schlußfolgerung: „Geldlehren, die alles Geld als
endogenen Kredit verabsolutieren, sind historisch und realökonomisch nicht
haltbar“.
Da
stellt sich bezüglich
„verabsolutieren“ nun die Frage: Genügt es denn nicht, wenn der
allergrößte
Teil der Geldmenge aus dem Kredit entstanden ist, zu akzeptieren, dass
die
Banking Theorie über die Kreditgeldschöpfung maßgeblich den
Wirtschaftsprozess bestimmt? Und es daher maßgeblich sein könnte, dass
Geld weiter
so entsteht. Dass es eine freie Kredit - bzw. Geldschöpfung weiterhin
braucht - allerdings diese nun kontrolliert, und daher allein der
Zentralbank vorbehalten, so wie im Vollgeld-Vorschlag auch vorgesehen.
Mit den vorgesehenen Regelungen für die Einführung von Vollgeld zeigt sich dagegen, dass von zusätzlichem, über Kredite geschöpftem Geld nur mehr als Notfallmaßnahme die Rede ist. So findet sich im Paper von J. Huber in „Die Vollgeld-Reform“ des Vereins Monetäre Modernisierung auf den Seiten 44ff alles mögliche, wofür der Staat das neu geschöpfte Geld ausgeben könnte. Von Krediten für Investitionen ist aber dort nirgends die Rede. Es geht nur um einen Geld-Nachschuss zum Kauf der gestiegenen Produktion, nicht aber um einen Geld-Vorschuß, um diese Produktion überhaupt erst zu ermöglichen. In „Monetäre Modernisierung“ ist dies auch nur als Ausnahmefall beschrieben: „Deshalb sollte es der Zentralbank prinzipiell möglich bleiben, neues Geld auch per verzinslichem Kredit mit kurzer Laufzeit in Umlauf zugeben, dies aber eher als Ausnahme von der Regel …“(S. 126)
Es ergibt sich daraus die
Einsicht, dass es hier um eine revolutionäre Änderung geht, die ihre
Auswirkungen nicht allein in der Finanzierung der Wirtschaft hat.
Auch das reale Wirtschaften würde damit in ihrem prozesshaften Geschehen, so
ist anzunehmen, tief verändert. Also eine Umkehrung zu dem, was
Huber dort auf den Seiten 53 sagt: „Die freie Geldschöpfung hat das Wachstum
der modernen Wirtschaft und seine Finanzierung im wahrsten Sinn des Wortes
revolutioniert: Um heute investieren zu können, muss nicht erst langwierig Geld
gespart und Eigenkapital gebildet werden, sondern das benötigte Geld kann nach
Bedarf und nach vorhandenem Willen der maßgebenden Akteure frei im
Vorhinein geschöpft werden.“
Wir haben also eine Wirtschaft, die einen zusätzlichen Freiheitsgrad dazu gewinnt, der ein Hineinwirken in die Zukunft ermöglicht. Und erst mit dieser zeitlichen Komponente eine Motorik einbaut, die ein Wirtschaften mit einer wesentlich anderen - insbes. zeitlichen - "Reichweite" befähigt, als eine ohne Motorik. So wie Düsenflugzeuge eine andere Reichweite wie Segelflugzeuge auszeichnet
Huber teilt nun aber nicht die Meinung, dass der Kredit die Voraussetzung ist, dass sich erst damit etwas bewegen zu kann, dass damit erst möglich wird, überhaupt investieren und damit im Voraus erzeugen zu können. So schreibt er im Mail vom 1. Dezember 2013: "Was ich bei der Sache allerdings nicht teile, und wozu es weiterhin kontroverse Auffassungen gibt, ist die hergebrachte klassische Vorstellung, neues Geld müsse zuerst für Investitionen ausgegeben werden, also als Investitionskredit in Umlauf kommen. Das ist mir zu mechanisch und wird in dieser Vereinseitigung der Rückkopplungsnatur komplexer Systeme nicht gerecht. Je nach wirtschaftlicher Situation kann es mal besser oder schlechter sein, neues Geld auf diese oder jene Weise einzuschleusen."
Wir haben also eine Wirtschaft, die einen zusätzlichen Freiheitsgrad dazu gewinnt, der ein Hineinwirken in die Zukunft ermöglicht. Und erst mit dieser zeitlichen Komponente eine Motorik einbaut, die ein Wirtschaften mit einer wesentlich anderen - insbes. zeitlichen - "Reichweite" befähigt, als eine ohne Motorik. So wie Düsenflugzeuge eine andere Reichweite wie Segelflugzeuge auszeichnet
Huber teilt nun aber nicht die Meinung, dass der Kredit die Voraussetzung ist, dass sich erst damit etwas bewegen zu kann, dass damit erst möglich wird, überhaupt investieren und damit im Voraus erzeugen zu können. So schreibt er im Mail vom 1. Dezember 2013: "Was ich bei der Sache allerdings nicht teile, und wozu es weiterhin kontroverse Auffassungen gibt, ist die hergebrachte klassische Vorstellung, neues Geld müsse zuerst für Investitionen ausgegeben werden, also als Investitionskredit in Umlauf kommen. Das ist mir zu mechanisch und wird in dieser Vereinseitigung der Rückkopplungsnatur komplexer Systeme nicht gerecht. Je nach wirtschaftlicher Situation kann es mal besser oder schlechter sein, neues Geld auf diese oder jene Weise einzuschleusen."
Ich
meine, dass Huber mit dieser Aussage nichts beweist, sondern das
Grundprinzip unserer heutigen Geldwirtschaft
in einer prozesshaften zeitlichen Gemengelage vergräbt, womit er sich
der
konkreten Frage nach Start und Ziel entzieht. Es geht nicht um einen
Nachschuss an Geld, um die Güter aus einer weiter angewachsene
Produktion kaufen zu können, denn eine zusätzliche Produktion ist ohne
Geldvorschuss gar nicht möglich. "Wachstum braucht Geld, Energie und
Imagination" sagt Binswanger in der FAZ. Dessen Hauptwerk "Die
Wachstumsspirale" ist dem Anliegen gewidmet, der stationären
ökonomischen Theorie eine dynamische Theorie gegenüber zu stellen, in
der auch die Zeit eine Rolle spielt. Huber kehrt aber wieder zur
statischen Neoklassik zurück. Er denkt so wie die Gewerkschafter, Gregor
Gysi und auch Ulrike Herrmann, die einen Gewinn verteilen wollen, der
aber nur dann möglich ist, wenn heute mehr investiert iwird als gestern -
und nicht, wie bei ihnen, einfach vom Himmel fällt. Und damit auch neue
Arbeitsplätze und Arbeitseinkommen geschaffen werden.
Mit dem Ausweichen einer
Antwort auf die Frage über die Notwendigkeit des Kredites für die immer
wieder erforderliche Ingangsetzung des Wirtschaftsprozesses entzieht sich
Huber auch der Frage, ob das, was er vorschlägst, nicht zu einer – zumindest
der Tendenz nach - wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zurück-Revolution hin
zu vorindustrielle Strukturen führt. Der dann auch eine entsprechende
Veränderungen der Politik hinsichtlich der Vorstellungen über die Schaffung, Ausgestaltung
und Sicherung von Arbeitsplätzen, ebenso wie auch die Sozialpolitik, folgen müssten. Denn erst mit dieser Revolution
der Finanzierung der Investitionen über die Kreditgeldschöpfung wurde die
Industrialisierung in ihrem ganzen Ausmaß möglich, wie Huber selbst sagt. Erst
damit konnten aus der vormaligen und nur von Tag zu Tag reichenden Taglöhnerei, in der der
Arbeiter als Anbieter, als Geber von Arbeit ständig auf der Suche nach einem war, der Arbeit
nimmt, eine vertraglich gesicherte Dauerbeschäftigung, Erwerbsarbeit entstehen. Erst damit wurden Vollzeitarbeitsplätze möglich,
indem die durch den technischen Fortschritt in der Konsumgüter-Erzeugung
verlorenen Arbeitsplätze durch solche in der Investitionsgüterindustrie ersetzt
wurden. Und laufend ersetzt werden. Investitionen sind somit nicht nur im
Interesse der Kapitaleigner zur Gewinnerzielung notwendig, sondern auch zur
Schaffung neuer Arbeitsplätze. "Aus gelingenden Investitionen erwachsen
Einkommen, von denen ein Teil der individuellen Ersparnisbildung dienen
kann" sagt Huber selbst (S. 53) Einkommen und Ersparnisse nicht zuletzt
auch der Arbeitnehmer.
Wohl ist dies ein zweischneidiges Schwert, das zu einem ständigen Wachstum der Wirtschaft zwingt. Es bleibt aber zu fragen, ob es wünschenswert ist, eine solche Wachstumswirtschaft durch eine Schrumpfungswirtschaft zu ersetzen. Denn eine stationäre Wirtschaft ohne Wachstum und Schrumpfung kann nur als ein Zufallstreffer möglich werden. H. Ch. Binswanger sagt ja auch, dass es nur die Entscheidung zwischen Wachstum und Schrumpfung geht. (Der im Übrigen in der Schrift der Schweizer Monetäre Monetarisierung doch zur Meinung von Huber Gegenteiliges erkennen lässt.) Diese Schrumpfung muss zwar mit dem vorgelegten Vollgeld-Regelwerk nicht zwangsläufig eintreten, doch gibt es keinen Beleg, dass dies sicher ausgeschlossen werden kann. So kritisiert etwa auch Hickel: "Vor allem weil das Vollgeld-Konzept keinen Mechanismus vorsieht, um auf Krisen zu reagieren."
Ich fürchte deshalb, dass zusätzlich zum Widerstand der Banken und der Realwirtschaft mit dem vorgeschlagenem Regelwerk auch eine Ablehnung durch Gewerkschaften hervorgerufen würde.
Die Regeln des Vollgeldes, so meine ich, sollten sich stärker an die TAXOS-Vorschläge anlehnen, wie sie unter aktegeld(3).blogspot.co.at zu finden sind. Die Zentralbank gibt dann zwar rückzuzahlende, aber zinslose Kredite an den Staat, der damit selbst Investitionen durchführen kann, oder auch die Wirtschaft zu solchen veranlasst, aber auch Investitionen in den Sozialbereich tätigt. Aber auch die Kredite für diese sind wie alle anderen privaten Kredite letztlich von den Konsumenten dieser Investitionen zurückzuzahlen - dies allerdings nicht individuell über einen konkreten Preis für eine genutzte Leistung, sondern durch allgemeine Steuern auf das durch die staatliche Investitionen gestiegenen Volkseinkommen. Dabei vorwiegend auf Gewinneinkommen, da ja die Unternehmungen nun leichter ihre Kredit-Verpflichtungen erfüllen können. Die Vollgeld-Reform sollte sich folglich stärker an den TAXOS-Vorschlag anlehnen.
Der Disput
Geordnet in chronologischer
Reihenfolge
Ernst Dorfner an Joseph Huber,
15.11.2013
Lieber Joseph!
Als Vorbemerkung:
Ich habe lange gezögert dir diesen Brief zu senden, habe mich aber nun doch
entschieden, das zu tun. Anstoß hierzu war letztlich die Durchsicht der
Homepage der Monetative, in der die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates
angeführt sind. Dort findet sich u.a. auch Margrit Kennedy, nicht aber mein
Name. Unbescheidener Weise glaube ich nun aber, dass ich als Vorarbeit für das
Vollgeld-Projekt nicht nur einen ganz entscheidenden Beitrag schon Ende
der 1980-iger Jahren geleistet habe, sondern, wie aus den weiteren Ausführungen
hervorgeht, meine Einsichten noch immer nicht bei vielen angekommen sind.
Meine Einsichten möchte ich stichwortartig zusammenfassen
1. Geld muss bereits von Beginn einer Produktion vorhanden sein, um hierfür die Vorleistungen und Lohnarbeit beschaffen zu können, und
nicht erst nachträglich, um die angewachsene Produktionsmenge zu kaufen, wie es
durch das Einschießen von Geld - etwa über den Staat - erfolgen könnte.
2. Unser Geld ist ein Kreditgeld, das (in der großen Mehrheit) die
Geschäftsbanken durch Vergabe von Krediten schöpfen.
3. Die Kredite nehmen idealtypisch die Unternehmen zur Vorfinanzierung der
laufenden Produktion auf,
Aus dieser gehen die Produkte für morgen hervor. Damit aber machen die
Unternehmen heute Schulden, von denen sie sich aber erst in Zukunft durch
Verkauf ihrer Produkte gegen Geld befreien können.
4. Mit dem aus den Krediten hervorgehenden Geld werden andererseits Produkte
gekauft, die schon fertig am Markt sind, also solche, die schon gestern
gefertigt wurden. Geld fließt also nicht als Tauschmittel in der Zeit vorwärts,
sondern als Schuldenbefreiungsmittel in der Zeit zurück.
5. Aus Pkt. 3 und 4 geht die Bedeutung der Zeit hervor, in der immer wieder
mit neuen Schuldenlasten eine Befreiungen von alten Schuldenlasten
ermöglicht wird.
6. Diese Umschuldung tritt nur dann ein, wenn aus ihr Mehrertrag in Form von
Zinsen und Gewinnen erwartet werden kann.
7. Dieser kann nur dann entstehen, wenn in der Folgeperiode diese gestern
gfertigten Produkte – auch die Existenzmittel der Arbeiter – durch eine
angewachsene Geldmenge gekauft werden.
Mich beschäftigt nun schon lange die Frage, inwieweit Vollgeld zur Lösung
dieses Problems des Wachstumszwanges unserer Wirtschaft beitragen kann.
In den Überlegungen rund um das Vollgeld bleibt nun m.E. gerade die
Thematik des Wachstumszwanges – oder wie H. Ch. Binswanger sagt: des
Wachstumsdranges – nahezu außen vor. Allzu leicht kann so der Eindruck
entstehen, dass allein schon das Vollgeld die Probleme der kapitalistischen
Wirtschaftsweise auflösen würde. Diese Meinung wird dabei auch noch bei den
Zinskritikern befördert , wenn von zinslosen Krediten an den Staat die
Rede ist, und dann das „an den Staat“ einfach weggelassen wird, wie etwa in der
weiter unten festgehalten Erklärung von Karwat .( Siehe weiter unten: „ ….
Das neu geschöpfte Geld wird im Vollgeldsystem zinslos in Umlauf
gebracht.“!!!)
Nur in der Schrift „Die Vollgeld-Reform“ des schweizerischen Vereines
„Monetative Modernisierung“ wird in dem Beitrag von Binswanger auf diesen Sachlage
eingegangen. Dass diese Reform „nur“ eine der Vorbedingungen ist, aber noch
nicht die Lösung selbst. Ebenso deutlich wird das in dem neuen Buch von
Binswanger „Vorwärts zur Mässigung“ (Seiten 11ff.), wobei schon aus dem
Inhaltsverzeichnis deutlich wird, dass „die Wege aus der Krise – Wege zu einer
nachhaltigen Wirtschaft“ vielschichtiges Umdenken verlangen – und dies nicht
nur ein monokausales Problem unserer Geldsystems ist. Binswanger hat das schon in
seinem Buch „Geld & Natur“ und seither unzählige Male festgehalten.
Nun habe ich 2011 Klaus Karwat auf sein Paper „Vom fraktionalen
Reservesystem zur Monetative“ (http://www.youblisher.com/p/198301-Karwat-Klaus-Vom-Reservesystem-zur-Monetative-Darstellung-in-Bilanzen
) angesprochen und ihm in einem Mail zwei Fragen
gestellt, die ich hier nochmals anführe, weil seine damalige Antwort für mich
unbefriedigend ist. Ich habe damals geschrieben:
„So gut Karwat den Unterschied
zwischen dem fraktionalen Reservesystem und dem Vollgeldsystem – ex aequo der
vermeintlich gegebenen Verleihe von Ersparnisse als Kredite -
herausarbeitet, scheint er andererseits
die Vorstellungswelt der traditionellen Sicht des Geldumlaufes
nicht überwunden zu haben. Die Frage des Wachstumszwanges unserer
Wirtschaft geht er nicht an. Er vermittelt ein Bild einer Wirtschaft, die
einfach wächst. Wobei zum Absatz der angewachsenen Produktionsmenge ein
Mehr an Geld bei etwa gleich hoch bleibenden Stück- bzw. Einheitspreisen
notwendig ist. So schreibt er auf Seite 12: „Zukünftig
würde dann die unabhängige Monetative entscheiden, wie viel neues Geld die
Zentralbank zinslos in Umlauf bringt, das der Staat dann als „Seigniorage“
verbuchen kann. Der prozentuale Zuwachs der Geldmenge müsste in etwa dem
prognostizierten Wirtschaftswachstum entsprechen, damit es nicht zu
inflationären oder deflationären Tendenzen kommt. Dadurch ließen sich in
Deutschland je nach wirtschaftlicher Entwicklung schätzungsweise 2,4 – 4,8 %
der öffentlichen Gesamtausgaben abdecken.“
Von Karwat habe ich dazu folgende Antwort erhalten: (Punkt 1 ist hier ohne
Belang)
2.) Es wäre ja
kein Problem, den Betrag, der zur Vorfinanzierung der Produktion in einer
wachsenden Wirtschaft benötigt wird, vor dem Wirtschaftsjahr zu schöpfen. Wird
mit x % Wirtschaftswachstum gerechnet, dann wird der entsprechende Betrag
vorher in Umlauf gebracht. Hat sich die Wirtschaft dagegen in
Richtung einer stationären Wirtschaft entwickelt, dann gibt es auch keinen
zusätzlichen Geldbetrag, der in Umlauf gebracht wird. Die Investitionen dann
aus den Ersparnissen finanziert werden.
Ähnlich wird es
ja bei jeder Währungsreform gemacht: Da wird auch erst einmal ein Betrag
ausgezahlt, und daraus erwächst dann eine neue Wirtschaftstätigkeit. Wichtig
dabei ist: Das neu geschöpfte Geld wird im Vollgeldsystem zinslos
in Umlauf gebracht. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass die Wirtschaft
auch stationär verharren kann. Denn auf die Geldemission an sich müssen keine
Zinsen gezahlt werden. Geld birgt also nicht mehr den Automatismus in sich,
dass automatisch wieder mehr Geld entstehen muss, um die bei der Emission
eingegangenen Zinsverpflichtungen insgesamt zu begleichen.
3.) Auch die
aus bereits bestehendem Geld entstandenen Zinsforderungen bergen natürlich noch
ein Wachstumspotential, oder können anders ausgedrückt einen Wachstumszwang
auslösen. Aber durch die Vorfinanzierung der zukünftigen
Wirtschaftstätigkeit durch zinslose (!!!) Geldemission ist insgesamt im
System genug Geld vorhanden, um alle Zinsen zu begleichen und auch die
produzierten Waren zu kaufen.
Ist das eine
für Sie zufriedenstellende Antwort?
Die Antwort stellt mich nicht zufrieden.
Daher: Was sagst du dazu? Mir fehlt da etliches, das in den Diskurs
eingebracht werden sollte.
Mit liebem Gruß
Ernst
Von: Joseph Huber
[mailto:joseph.huber@monetative.de]
Gesendet: Montag, 18. November 2013 10:23
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Gesendet: Montag, 18. November 2013 10:23
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Lieber Ernst,
ich bedaure, dass Du Dich nicht genügend gewürdigt fühlst.
Was den Beirat der Monetative angeht, so sind da schon bestimmte Lehrmeinungen vertreten, auch diejenigen, die Du in Deinem Schreiben ansprichst. Der Beirat ist allerdings kein Arbeitsgremium geworden, sondern ein rein repräsentatives Namens-Gremium geblieben, das unser Themenfeld und unsere Standpunkte einigermaßen repräsentiert, und dieses durch Leute, die selbst für eine bestimmte fachliche und politische Öffentlichkeit repräsentativ sind.
Was die von Dir angesprochenen inhaltlichen Fragen angeht, insb.
- Finanzierung der Wirtschaft, speziell Vorfinanzierung durch Kredit
- industrielles Wachstum
- Zinslenkung und Wirkungen von Zins und Zinseszins
so kann man wirklich nicht sagen, wir würden diese Fragen verkennen oder gar mutwillig missachten. Vielmehr diskutieren wir immer wieder über diese Dinge, aus eigenen Stücken und weil sie fortwährend an uns herangetragen werden.
Freilich sind die Finanzierungs-, Wachstums- und Zinsfrage umfassende und vielschichtige Fragen, sodass es doch auch recht unterschiedliche analytische Auffassungen und politische Standpunkte dazu gibt. Auch unter uns. Dazu haben wir auch verschiedentlich publiziert. Als Verein Monetative suchen wir einen gemeinsamen Nenner, der breitest möglich anschlussfähig ist. Deshalb wollen wir kontroverse Fragen, die wir in eigener Sache nicht unbedingt entschieden haben müssen, auch nicht 'per Beschluss' entscheiden, sondern lieber so kontrovers lassen wie sie jeweils sind. Als Verein genügt es uns, unabhägig von den im einzelnen weitergehenden und auch divergierenden Meinungen unserer Mitglieder und Unterstützer, festzustellen, - dass Vollgeld die dominante Rolle des Banken-Primärkredits und des Banken-Giralgelds aufhebt, die Erstverwendung von zusätzlichem Geld der öffentlichen Hand überträgt, und generell die Rolle des heutigen Sekundärkredits erheblich stärkt; dadurch wird spekulative Geldschöpfung beendet, bloß konsumtive Staatsschuldenaufnahme erschwert, und real-investive öffentliche und private Mittelaufnahme besser gestellt.
- dass Vollgeld mit tendenziellem Nullwachstum vereinbar ist, und
- dass ein Vollgeld, soweit es per originärer Seigniorage in Umlauf kommt, mit einer zinsfreien Geldbasis einhergeht.
Zum letzteren Punkt denke ich persönlich inzwischen darüber hinaus, dass die Zinsfrage nur bei Kreditgeld Teil der Geldordnung ist, nicht aber grundsätzlich. Der Zins ist ein Lenkungsmechanismus der Finanzwirtschaft im allgemeinen. Das traditionale Münzregal jedoch ebenso wie eine Vollgeldordnung haben mit der Zinsfrage konstitutiv, in eigener Sache, genau genommen nichts zu tun.
Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns weiterhin freundschaftlich verbunden blieben.
Herzliche Grüße,
Joseph
ich bedaure, dass Du Dich nicht genügend gewürdigt fühlst.
Was den Beirat der Monetative angeht, so sind da schon bestimmte Lehrmeinungen vertreten, auch diejenigen, die Du in Deinem Schreiben ansprichst. Der Beirat ist allerdings kein Arbeitsgremium geworden, sondern ein rein repräsentatives Namens-Gremium geblieben, das unser Themenfeld und unsere Standpunkte einigermaßen repräsentiert, und dieses durch Leute, die selbst für eine bestimmte fachliche und politische Öffentlichkeit repräsentativ sind.
Was die von Dir angesprochenen inhaltlichen Fragen angeht, insb.
- Finanzierung der Wirtschaft, speziell Vorfinanzierung durch Kredit
- industrielles Wachstum
- Zinslenkung und Wirkungen von Zins und Zinseszins
so kann man wirklich nicht sagen, wir würden diese Fragen verkennen oder gar mutwillig missachten. Vielmehr diskutieren wir immer wieder über diese Dinge, aus eigenen Stücken und weil sie fortwährend an uns herangetragen werden.
Freilich sind die Finanzierungs-, Wachstums- und Zinsfrage umfassende und vielschichtige Fragen, sodass es doch auch recht unterschiedliche analytische Auffassungen und politische Standpunkte dazu gibt. Auch unter uns. Dazu haben wir auch verschiedentlich publiziert. Als Verein Monetative suchen wir einen gemeinsamen Nenner, der breitest möglich anschlussfähig ist. Deshalb wollen wir kontroverse Fragen, die wir in eigener Sache nicht unbedingt entschieden haben müssen, auch nicht 'per Beschluss' entscheiden, sondern lieber so kontrovers lassen wie sie jeweils sind. Als Verein genügt es uns, unabhägig von den im einzelnen weitergehenden und auch divergierenden Meinungen unserer Mitglieder und Unterstützer, festzustellen, - dass Vollgeld die dominante Rolle des Banken-Primärkredits und des Banken-Giralgelds aufhebt, die Erstverwendung von zusätzlichem Geld der öffentlichen Hand überträgt, und generell die Rolle des heutigen Sekundärkredits erheblich stärkt; dadurch wird spekulative Geldschöpfung beendet, bloß konsumtive Staatsschuldenaufnahme erschwert, und real-investive öffentliche und private Mittelaufnahme besser gestellt.
- dass Vollgeld mit tendenziellem Nullwachstum vereinbar ist, und
- dass ein Vollgeld, soweit es per originärer Seigniorage in Umlauf kommt, mit einer zinsfreien Geldbasis einhergeht.
Zum letzteren Punkt denke ich persönlich inzwischen darüber hinaus, dass die Zinsfrage nur bei Kreditgeld Teil der Geldordnung ist, nicht aber grundsätzlich. Der Zins ist ein Lenkungsmechanismus der Finanzwirtschaft im allgemeinen. Das traditionale Münzregal jedoch ebenso wie eine Vollgeldordnung haben mit der Zinsfrage konstitutiv, in eigener Sache, genau genommen nichts zu tun.
Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns weiterhin freundschaftlich verbunden blieben.
Herzliche Grüße,
Joseph
Von: Ernst Dorfner [mailto:taxos.ernstdorfner@tele2.at]
Gesendet: Donnerstag, 21. November 2013 16:01
An: 'Joseph Huber'
Betreff: AW: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Gesendet: Donnerstag, 21. November 2013 16:01
An: 'Joseph Huber'
Betreff: AW: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Lieber Joseph,
hier meine Antwort auf dein Mail in
nach wie vor freundschaftlicher Verbundenheit. In diesem Sinn äußere ich auch
weiterhin meine Bedenken, wie der Vorschlag eines Vollgeldes
verschiedentlich interpretiert wird.
Ich bin nicht glücklich über die gedankliche Entwicklung rund um die Ideen zu Reformen der Geldwirtschaft, die ja auch dann funktionieren sollte, wenn es kein Wirtschaftswachstum gibt.
Ich bin nicht glücklich über die gedankliche Entwicklung rund um die Ideen zu Reformen der Geldwirtschaft, die ja auch dann funktionieren sollte, wenn es kein Wirtschaftswachstum gibt.
Vor nahezu 30 Jahren habe ich aus
einer ähnlichen Enttäuschung die Freiwirtschaftsbewegung in Österreich,
die ich aktiv und federführend getragen habe, hinter mir gelassen. Ich habe mit
der Zeitung, die ich im Alleingang gemacht habe, Schluss gemacht, da für neue
Gedanken unter den Freiwirten kein Interesse bestand. Ihre Gedanken
schweiften nahezu ausschließlich um das Wörgler Experiment und die
Umlaufsicherung des Geldes. Diese Umlaufsicherung wurde dabei so irgendwie als
propates Allheilmittel gesehen, mit dem man sowohl der deflatorischen wie auch
inflationären Tendenzen begegnen könnte. Also eine Medizin – wie ich immer sage
-, die sowohl bei Verstopfung als Durchfall angewendet werden kann.
Ich fürchte nun, nachdem ich dein
Mail gelesen habe, dass dem Vollgeld-Vorschlag ähnliches widerfahren
könnte. Es geht um eine Medizin gegen eine Krankheit, über die es keinen
gemeinsam getragenen Befund gibt. Zwar wird hier und dort die Meinung
vertreten, dass die Geschäftsbanken Kredit- und Geldschöpfung betreiben, eben
Kreditgeldschöpfung. Allerdings ist die Beschreibung unserer Wirtschaft eine
ganz unterschiedliche: Die einen sehen in ihr nach wie vor eine
Tauschwirtschaft, in der bereits fertige Produkte mit Hilfe des Geldes
getauscht werden, wo es aber keine Überlegungen gibt, wie und wann denn die
Produkte hergestellt werden. Sie sind einfach da. So wie das Geld einfach da
ist. Und die auf der anderen Seite reden von einer Investitionswirtschaft, die
sich auch mit der Fertigung - und dem Zeitpunkt dieser Fertigung, zwangsläufig also
mit dem Gestern, wenn dieProdukte heute fertig sind- beschäftigt.
In ihren Überlegungen spielt auch die Zeit eine Rolle. Und erst mit der Zeit ,
einem Zeitraum, lassen sich überhaupt
Schulden definieren.
Dass Produkte zuerst hergestellt werden müssen, ehe sie verkauft werden können, ist wohl eine Binsenwahrheit. Aber vielleicht ist es gerade die Banalität, die diesen zeitlichen Ablauf von Produktion und Verkauf in den Überlegungen vergessen lässt. Das Banale wird gerne übersehen. So wie die Anhänger der Wind- und Sonnenenergie in ihrem Konzept nicht berücksichtigen, dass die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht.
In den makroökonomischen
Betrachtungen darf die Frage, wie die Produkte gefertigt werden, welche
Voraussetzungen hierfür notwendig sind, nicht außer Acht gelassen werden. Wenn
wir uns in einer Eigentumsgesellschaft und Eigentumswirtschaft befinden,
beginnt die Produktion mit dem Zugriff auf fremdes Eigentum, und damit mit
einer Verschuldung. Das „Geben und Nehmen“ besteht ja vorerst einmal nur in
einem Nehmen. Dass später dann – allerdings
wo anders – gegeben wird - dort aber auch zum gemeinsamen Produkt beiträgt - ist vorerst eine Angelegenheit auf Treu und
Glauben. Also kann mit diesem Vertrauen, dem Kredit,
erst der ganze Produktionsablauf beginnen. Es braucht also
den Kredit bereits in der Take-off-Phase. So wie es beim Flugzeug der
Erreichung einer bestimmten Take-off-Geschwindigkeit braucht, um den
aerodynamischen Auftrieb hervorzubringen.
So wie
aber die Produktion schon gestern erfolgt sein muss, musste auch
Verschuldung, das Schuldenmachen, bereits gestern erfolgen. Eine Abkehr von diesem Schulden machen, würde eine Aufhebung des
Eigentums und des Eigentumsrechtes verlangen. Verschuldung entsteht also nicht
erst durch die Verwendung von Geld, sondern schon vorher. Mit dem Geld wird
erst ein probates Mittel eingeführt, das die Logistik der Ver- und Entschuldung
wesentlich vereinfacht.
Da der Verkauf aber erst heute
erfolgen kann, kommt über den Faktor Zeit das Risiko ins Spiel, dass dieser
Verkauf nicht gelingen muss, und der Produzent auf seinen Schulden sitzen
bleibt. Hier liegt die Ursache für das Verlangen nach Gewinn und Zins, wie auch
Binswanger erklärt.
Zusammengefasst heißt das
somit, dass ganz am Anfang der Kredit steht, ganz gleich, ob das Geld von den
Geschäftsbanken geschöpft wird, oder von der Zentralbank bzw. vom Staat. Der
Kredit ist also in einer Industriewirtschaft schon ganz am Anfang, also
primär, erforderlich.
Wenn es dagegen nun aber auch in der
Tauschwirtschaft den Kredit gibt, dann ist dieser erst sekundär
erforderlich. Das Produkt, das mit Geld erworben werden soll, ist heute
ja voraussetzungsgemäß schon da, sowie Geld bereits da ist. Das
Produkt braucht also nicht erst produziert werden. Einen Kredit zur
Vorfinanzierung der Produktion braucht es nicht. Der Kredit ist der
Tauschwirtschaft wesensfremd. Geld wird nur zum Kaufen im Sinne eines
Austausches verwendet.
Reicht das eigene Geld – so die
Vorstellung – jedoch nicht für einen konkreten Ankauf, muss sich der Käufer
Geld ausborgen: Er nimmt ein Darlehen. Und dieses kann er dann auch schon
heute durch Verkauf eines eigenen Produktes – das er ja voraussetzungsgemäß hat
- an andere wieder zurückzahlen, seine Schulden tilgen. Langfristig Schulden
sind also ein Sonderfall, wenn der Verkäufer auf seinem Produkt sitzen
bleibt. Oder wenn die potentiellen Käufer ihr Geld nicht verausgaben,
sondern horten.
Überraschender Weise entdeckt man
nun aber, dass jetzt für die folgende Produktion doch Geld benötigt wird.
Dieses hat - soferne Geld nicht gehortet wird - das Unternehmen aber
schon durch den Verkauf seines Produktes erworben, und kann es nun wieder
reinvestieren. Ein Darlehen braucht es
also nur, wenn es selbst nicht kostendeckend verkauft hat. Oder höhere
Investitionen tätigen will, die seinen Finanzrahmen übersteigen. In der
Vorstellungswelt der Tauschwirtschaft kann dieses Darlehen – fälschlich auch
als Kredit angesprochen - aus den Ersparnissen – also Nicht-Ausgaben –
anderer Teilnehmer vergeben werden.
Den Kredit gibt es in einer
stationären Tauschwirtschaft als primäre Voraussetzung nicht. Aus dem einfachen Grund, weil die
Produktion von Gütern, und die Voraussetzungen hierfür, nicht in die
Überlegungen eingeschlossen werden. Die Produkte sind ja schon da! Eine
kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Schöpfung von Kredit und
Geld durch die Geschäftsbanken ist daher gar nicht möglich. Oder anders gesagt:
Eine Kreditgeldschöpfung bleibt im Modell einer Tauschwirtschaft ein
Fremdkörper.
Erst dann, wenn die
Gesamtersparnisse insgesamt nicht reichen, eine wachsende Produktion zu
finanzieren, braucht es zusätzlich geschöpften Kredit und Geld. Jetzt
erst wird von den Tauschwirtschaftern die Kreditgeldschöpfung eingebaut: damit
die Wirtschaft wachsen kann. Soll dagegen die Wirtschaft nicht mehr
weiter wachsen, muss man diese Kreditgeldschöpfung nur unterbinden. Oder in dem
Maß zulassen, wie es sinnvoll ist. In diesem Sinn gibt es keinen Zwang zum
Wirtschaftswachstum. Oder anders herum: Das Modell einer Tauschwirtschaft
beschreibt nicht den Ist-Zustand, in dem es den Zwang zum Wirtschaftswachstum
gibt.
Nochmals: Erst wenn wir die Frage
angehen, was notwendig ist, um überhaupt in einer Eigentumsgesellschaft etwas
produzieren zu können, kommen wir zum Kredit, über den der Zugriff auf fremdes
Eigentum rechtens möglich wird.
In der
Industrie- oder Investitionswirtschaft steht der Kredit als das Element, das
die Dynamik dieser nicht nur initiiert, sondern in jeder Sekunde neu
hervorbringt, ganz am Anfang. So wie de aerodynamische Auftrieb aus der
Vorwärtsbewegung des Flugzeugs in jeder
Sekunde neu entsteht. Und erst dann, wenn etwas produziert ist, kann
jeder - der Staat wie jeder Private - mit Geld auf etwas zugreifen.
Anders geht der Zugriff ins Leere.
Das aber heißt: Zusätzliches Geld von der Zentralbank wird nicht einfach den Banken, dem Staat oder den Haushalten zugewiesen. Zusätzliches Geld muss im ersten Schritt durch zusätzliche Investitionen initiiert werden, in dem mit diesem Geld zusätzliche Produkte erzeugt werden. Sonst geht dieses Geld ins Leere, führt zur inflationären Preissteigerung.
Auf diesen Zusammenhang weist
Binswanger immer schon hin. Daher sind seine Ausführungen in seinem Buch
„Vorwärts zur Mäßigung“ etwas erstaunlich, wenn er immer von einer Zuteilung
von zusätzlichem Geld an die Banken, dem Staat, die Haushalte spricht. (Seite
146ff) Ich hege hier den Verdacht, dass Binswanger hier nicht seine
Meinung kundtut, sondern einfach (und vielleicht auch etwas resignativ)
aufzählt, was andere vorschlagen.
Wenn du nun
aber schreibst, dass „wir kontroverse Fragen, die wir in eigener Sache nicht
unbedingt entschieden haben müssen, auch nicht 'per Beschluss' entscheiden,
sondern lieber so kontrovers lassen wie sie jeweils sind. Als Verein genügt es
uns, unabhängig von den im einzelnen weitergehenden und auch divergierenden
Meinungen unserer Mitglieder und Unterstützer, festzustellen.“, dann sehe ich
die Gefahr, die ich ganz oben angedeutet habe. Es geht ja nicht nur um die
reine Idee, sondern sollte man sich auch einig sein, in welche Zusammenhänge
hinein hier eine Transplantation erfolgt.
Jahrelang bin ich mit der
Kreditgeldtheorie allein auf weiter Flur gestanden, eine abstruse Idee zu
verfolgen. Wenn jetzt viele für das Vollgeld eintreten, dann müssten sie sich
auch mit dieser abstrusen Theorie auseinandergesetzt haben. Woran ich allerdings
zweifle. Ich schließe nicht aus, dass hier unter einem Namen doch
Unterschiedliches firmiert. In diesem Sinn finde
ich, dass nicht ich, sondern meine Überlegungen zu wenig gewürdigt werden
Soviel für heute. Ich hätte es auch
kürzer fassen können (oder sollen). Es ist lang geworden, weil auch ich meine
Gedanken ordnen musste.
Mit lieben Grüßen
Ernst
Von: Joseph Huber
[mailto:joseph.huber@t-online.de]
Gesendet: Montag, 2. Dezember 2013 21:09
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: WG: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Gesendet: Montag, 2. Dezember 2013 21:09
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: WG: Brief an Joseph Huber, Korr. mit Karwat, Wiss.Beirat
Ernst, ich war die ganzen Tage in
der Schweiz bzw mit der Schweizer Vollgeld-Initiative beschäftigt.
Deine Ergänzungen zum vorangegangenen Mail, OK.
Aber was folgt daraus für Dich im Hinblick auf eine Vollgeldreform?
Joseph
Deine Ergänzungen zum vorangegangenen Mail, OK.
Aber was folgt daraus für Dich im Hinblick auf eine Vollgeldreform?
Joseph
Prof Dr Joseph
Huber
Sybelstr. 37,
D-10629 Berlin
joseph.huber@t-online.de
Tel +49 (0)30
323 12 16
vollgeld.de
sovereignmoney.eu
Ernst Dorfner an Joseph Huber,
19,12.2013
On 19.12.2013 10:10, Ernst Dorfner
wrote:
Lieber Joseph,
ich habe mich schon
mehrfach an einer Antwort auf deine Frage versucht. Heute meine ich, sie Dir
geben zu können. Möglichst urz und einfach.
Geht man die Schrift
des Verein Moderne Monetäre Modernisierung „Die Vollgeld-Reform“ durch,
dann liest man auf Seite 60 im Beitrag von Mastronardie die
Zwischenüberschriften „….Geld ist heute eine Schuld“, demgegenüber „Geld wird
zu einem öffentlichen Gut“ steht. Oder anders ausgedrückt: Geld wird mit der
Einführung von Vollgeld zu einem Tauschmittel, während es heute ein
Schulden-Transfermittel ist, das unabdingbar ist für eine Investitions- und
Produktionswirtschaft in einer Gesellschaft mit privatem Eigentum. Denn
Investition und Produktion brauchen immer Zeit. Nur in der zeitlichen Dimension
aber können Schulden entstehen. Unsere Wirtschaft ist ja eine
Produktionswirtschaft, in der zuerst etwas erzeugt werden muss, das erst später
dann verkauft werden kann. Produzieren vor dem Verkauf und vor dem Verbrauch:
Das ist physikalisch anders nicht möglich. Selbst in einer
Selbstversorgerwirtschaft muss im Frühjahr der Acker bestellt, die
Saat-Kartoffel eingelegt die Kartoffel im Herbst geerntet werden, ehe sie im
Winter im Kochtopf landen, um dann konsumiert zu werden.
Dass dieser
Tauschmittel-Ansatz auch deine Überlegungen beherrscht, wird u.a. in Deinen
Ausführungen auf Seite 44 ff deutlich. Nämlich mit der Frage: „Wofür soll
neu geschöpftes Geld ausgegeben werden?“. Es soll, so die weiteren
Ausführungen, für Staatsausgaben verwendet werden. Oder auch als
Pro-Kopf-Zuwendung an die Bürger etwa in Form einer Bürgerdividende.
Nun könnte man sagen,
das gilt so nur für das neugeschöpfte Geld. Nur: Es kann nicht allein und immer
wieder neu geschöpftes Geld so zugeteilt werden. Wenn schon, dann
gilt das für alles Geld. Dass das aber so ist, dafür gibt es in der modernen
Industriewirtschaft keine Strukturen, die historisch belegt werden können. Geld
wird auch weiterhin nur im Zusammenhang mit Verschuldung, mit Krediten
entstehen.
Diese Geldentstehung
aus dem Kredit (der Zentralbank an die Geschäftsbanken) wird in
Deinen und Mastronardis Ausführungen aber nur als außergewöhnliche
Sondermaßnahme (besser : Notfallmaßnahme) beschrieben. Damit
berücksichtigen beide Ausführungen nicht die Einsichten, die Binswanger in
seinem Beitrag – insbes. auf den Seiten 44ff - so gut beschreibt. Der
eigentlich als Vorspann zu den weiteren Beiträgen von Dir und M. dienen
sollte – und nicht als eine von anderen etwas abweichende Einsicht.
So meine ich, dass der Vollgeld-Vorschlag auch in der gegebenen Investitionsirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Gesundung unserer Wirtschafts- und Geldordnung bringen könnte. Die Überlegungen, die aus der Vorstellungswelt einer originären Seigniorage hervorgehen, so wie etwa auch den Abbau der Staatsschulden, kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Darüber sollte bei einem konkreten Vorschlag für die politische Umsetzung nochmals nachgedacht werden.
Soweit meine
Überlegungen – in freundschaftlicher Verbundenheit festgehalten.
Bleibt noch, Dir ein
gutes Neues Jahr 2014 zu wünschen.
Ernst
Von: Joseph Huber [mailto:joseph.huber@t-online.de]
Gesendet: Donnerstag, 19. Dezember 2013 15:57
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Gesendet: Donnerstag, 19. Dezember 2013 15:57
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Lieber Ernst,
ich finde Deine Auslegung des Vollgeldansatzes und damit verbundener ökonomischer Auffassungen in diesem Fall vereinseitigt und von daher unzutreffend. Sowohl ich als auch andere Geldreformer, die ich kenne, gehen davon aus, wie auch die ganze Richtung des Postkeynesianismus, dass Geld ebenso als Finanzierungsmittel (Investitionsmittel) wie auch als Tauschmittel benötigt wird und in beiderlei Funktion zirkuliert. Sonst könnten wir doch überhaupt nicht gegen die neoklassische VWL argumentieren, die weiter unterstellt, Geld sei nur ein unbedeutender 'Schleier' über der Wirtschaft.
Was ich bei der Sache allerdings nicht teile, und wozu es weiterhin kontroverse Auffassungen gibt, ist die hergebrachte klassische Vorstellung, neues Geld müsse zuerst für Investitionen ausgegeben werden, also als Investitionskredit in Umlauf kommen. Das ist mir zu mechanisch und wird in dieser Vereinseitigung der Rückkopplungsnatur komplexer Systeme nicht gerecht. Je nach wirtschaftlicher Situation kann es mal besser oder schlechter sein, neues Geld auf diese oder jene Weise einzuschleusen.
Dass Geld als Zahlungsmittel (die zirkulierende Geldbasis) notwendigerweise mit einem Kredit- und Schuldverhältnis konstituiert wird, halte ich historisch und sachlich für falsch. Das ist reine Banking-Doktrin. Für zutreffend halte ich es dagegen, dass jede Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapital ein Schuldverhältnis begründet. Ich nehme an, das gilt zugleich für die faktische Verzinsung einer Kapitalüberlassung, wie auch immer man diese kategorial re-interpretieren mag (z.B. bei denjenigen Freiwirten, die einen nominalen Nullzins propagieren, oder im Islamic Banking).
Schöne Feiertage
wünscht Dir
Joseph Huber
ich finde Deine Auslegung des Vollgeldansatzes und damit verbundener ökonomischer Auffassungen in diesem Fall vereinseitigt und von daher unzutreffend. Sowohl ich als auch andere Geldreformer, die ich kenne, gehen davon aus, wie auch die ganze Richtung des Postkeynesianismus, dass Geld ebenso als Finanzierungsmittel (Investitionsmittel) wie auch als Tauschmittel benötigt wird und in beiderlei Funktion zirkuliert. Sonst könnten wir doch überhaupt nicht gegen die neoklassische VWL argumentieren, die weiter unterstellt, Geld sei nur ein unbedeutender 'Schleier' über der Wirtschaft.
Was ich bei der Sache allerdings nicht teile, und wozu es weiterhin kontroverse Auffassungen gibt, ist die hergebrachte klassische Vorstellung, neues Geld müsse zuerst für Investitionen ausgegeben werden, also als Investitionskredit in Umlauf kommen. Das ist mir zu mechanisch und wird in dieser Vereinseitigung der Rückkopplungsnatur komplexer Systeme nicht gerecht. Je nach wirtschaftlicher Situation kann es mal besser oder schlechter sein, neues Geld auf diese oder jene Weise einzuschleusen.
Dass Geld als Zahlungsmittel (die zirkulierende Geldbasis) notwendigerweise mit einem Kredit- und Schuldverhältnis konstituiert wird, halte ich historisch und sachlich für falsch. Das ist reine Banking-Doktrin. Für zutreffend halte ich es dagegen, dass jede Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapital ein Schuldverhältnis begründet. Ich nehme an, das gilt zugleich für die faktische Verzinsung einer Kapitalüberlassung, wie auch immer man diese kategorial re-interpretieren mag (z.B. bei denjenigen Freiwirten, die einen nominalen Nullzins propagieren, oder im Islamic Banking).
Schöne Feiertage
wünscht Dir
Joseph Huber
Ernst Dorfner an Joseph Huber, 3012,2013
On 30.12.2013 16:39, Ernst Dorfner wrote:
Lieber
Joseph!
Zu deiner
Stellungnahme zu meinen Überlegungen: Was du u. a. schreibst, findet sich
in deinem Buch „Monetäre Modernisierung“ auf den Seiten 53ff. Dort
stellst du die Currency- Standpunkte den Banking-Standpunkten gegenüber, und
sagst dann irgendwie als Schlußfolgerung: „Geldlehren, die alles Geld als
endogenen Credit verabsolutieren, sind historisch und realökonomisch nicht
haltbar“.
Da stellt
sich bezüglich „verabsolutieren“ nun die Frage: Genügt es denn nicht, wenn der
allergrößte Teil der Geldmenge aus dem Credit entstanden ist, um die Banking
Theorie über die Krditgeldschöpfung als prozessbestimmend zu akzeptieren? Wenn
Geld weiter so entsteht, sich so vermehrt? Mit den konkreten Regelungen
für die Einführung von Vollgeld zeigt sich dagegen, dass von
zusätzlichem, über Kredite geschöpftes Geld nur mehr als Notfallmaßnahme die
Rede ist. So findet sich in deinem Paper in „Die Vollgeld-Reform“
auf den Seiten 44ff alles mögliche, wofür der Staat das neu geschöpfte Geld
ausgeben könnte. Von Krediten für Investitionen ist aber dort nirgends
die Rede. In „Monetäre Modernisierung“ ist dies auch nur als Notfallmaßnahmen
beschrieben: „Deshalb sollte es der Zentralbank prinzipiell möglich bleiben,
neues Geld auch per verzinslichem Kredit mit kurzer Laufzeit in Umlauf
zugeben, dies aber eher als Ausnahme von der Regel …“(S. 126)
Es ergibt
sich daraus für mich die Einsicht, dass es hier um eine revolutionären Änderung
geht, die ihre Auswirkungen nicht allein in der Finanzierung der Wirtschaft
hat. Auch die reale Wirtschaften würde damit in ihrem prozesshaften
Geschehen, so ist anzunehmen, tief verändert. Umgekehrt zu dem, was du
auf den Seiten 53 sagst: „Die freie Geldschöpfung hat das Wachstum der modernen
Wirtschaft und seine Finanzierung im wahrsten Sinn des Wortes revolutioniert:
Um heute investieren zu können, muss nicht erst langwierig Geld gespart und
Eigenkapital gebildet werden, sondern das benötigte Geld kann nach Bedarf und
nach vorhandenem Willen der maßgebenden Akteure frei im Vorhinein
geschöpft werden.“
So ist im
Umkehrschluss nicht auszuschließen, dass das, was du vorschlägst, nicht zu
einer – zumindest der Tendenz nach - wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Zurück-Revolution hin zu vorindustrielle Strukturen führt. Und folglich auch
der Politik hinsichtlich der Vorstellungen über die Ausgestaltung und Sicherung
von Arbeitsplätzen, ebenso wie auch die Sozialpolitik. Erst mit dieser
Revolution der Finanzierung der Investitionen über die
Kreditgeldschöpfung wurde die Industrialisierung in ihrem ganzen Ausmaß
möglich. Erst damit konnten sich aus der vormaligen und sporadische
Tageslöhnerei, in der der Arbeiter als Arbeit-Geber ständig nach der
Suche nach einem Arbeit-Nehmer war, zu einem vertraglich gesicherten Dauerbeschäftigten
wird. Erst damit konnten Vollzeitarbeitsplätze entstehen, indem die durch den
technischen Fortschritt in der Konsumgüter-Erzeugung verlorenen
Arbeitsplätze durch solche in der Investitionsgüterindustrie ersetzt wurden. Du
laufend ersetzt werden. Investitionen sind somit nicht nur im Interesse der
Kapitaleigner zur Gewinnerzielung notwendig, sondern auch zur Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Wohl ist dies ein zweischneidiges Schwert, das zu einem
ständigen Wachstum der Wirtschaft zwingt. Es bleibt aber zu fragen, ob es
wünschenswert ist, eine solche Wachstumswirtschaft durch eine
Schrumpfungswirtschaft zu ersetzen. Diese muss zwar mit der vorgelegten
Vollgeld-Regelungen nicht zwangsläufig einhergehen, doch gibt es keinen Beleg,
dass dies sicher ausgeschlossen werden kann.
Ich fürchte,
dass zusätzlich zum Widerstand der Banken und Realwirtschaft damit auch eine
Ablehnung durch Gewerkschaften hervorgerufen würde.
Ich gebe zu,
dass erst jetzt dazu angeregt wurde, deinen Vorschlag unter diesem Aspekt
zu betrachten. Ich sah die Vollgeldreform unter dem Belang, dass die
Geschäftsbanken Kreditgeld nicht mehr schöpfen können, und dass dies nur der
Zentralbank möglich ist. Damit sollte eine Kontrolle der Kreditgeldschöpfung
und des Einsatzes dieser Kredite ermöglicht werden.
Übrigends
meine ich auch, das Geld nicht nur als Fianzierungsmittel gebraucht wird,
sondern - dies aber sekundär – auch als Tauschmittel. So sehen es die Haushalte
sicher als solches, weil ja ihren Gutschriften keine auf sie selbst bezogene
Lastschriften gegenüberstehen. Diese finden sich beim lohnzahlenden
Unternehmen.
Mit lieben
Grüßen
Ernst
Joseph Huber an Ernst
Dorfner, 06.01.2014
Von: Joseph Huber [mailto:joseph.huber@t-online.de]
Gesendet: Montag, 6. Januar 2014 20:56
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: AW: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Gesendet: Montag, 6. Januar 2014 20:56
An: Ernst Dorfner
Betreff: Re: AW: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Lieber Ernst,
erst einmal gutes neues Jahr.
Beim Thema, das Dich so sehr beschäftigt, fangen wir anscheinend an, uns im Kreis zu drehen.
Die "revolutionäre Änderung ..., die ihre Auswirkungen nicht allein in der Finanzierung der Wirtschaft hat" sehe ich nicht als sonderlich revolutionär, vor allem, sie hat meines Erachtens längst stattgefunden. Die meisten Kreditbanken rund um den Globus geben heute Kredit vor allem für Bau- und Hypothenkredit (überwiegend privathaushaltlich, also 'konsumtiv'), auch sonst für Konsumentenkredit und Überziehungskredit. Investitionskredit an kleine und mittlere Unternehmen stellt inzwischen den geringeren Teil der Bankenkredite dar. Die größeren Unternehmen darüber hinaus finanzieren sich überwiegend am Kapitalmarkt jenseits der Banken (oder hat konzerneigene Banken). Egal ob groß der klein, Firmen-, Staats- oder Privathaushalt, und egal wie sie das Geld beschaffen, sie kaufen damit in großem Umfang Produkte und Dienste, für die es realwirtschaftlich gesehen völlig egal ist, ob sie als Investition oder Konsum verbucht werden, zum Beispiel PKWs, Elektrogeräte, Rechts- und Steuerberatungsdienste, Möbel und sonstige Innenausstattungen, Verkehr, Hotellerie und Gaststättendienste, in gewissem Umfang Gesundheits- und Bildungsdienste ...
Die Gewerkschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten der supply side economics doch völlig zurecht die demand side economics und die Theorie der Massenkaufkraft entgegen gehalten. Angebot und Nachfrage, inklusive ihrer Finanzierung, sind heute aufs engste rückgekoppelt, gleich ob am Anfang oder am Ende vertikaler Arbeitsketten. Außerdem sinkt durch eine Vollgeldreform (nicht nur, aber auch durch sie) nach und nach das Gesamtausmaß der verzinslichen Finanzvermögen, weil sich Geldmengenpolitik dann am Knappheitsanker des realwirtschaftlichen Produktionspotenzials orientiert, sodass der Anteil der Arbeitseinkommen wieder steigt. Das kann den Gewerkschaften doch nur recht sein.
Zufällig sitze ich gerade an einem Manuskript zum Chicago Plan Revisited. Einer der Autoren, Michael Kumhof, vertritt ja eine gleiche Auffassung wie Du. Was ich dazu sage, kopiere ich nachstehend hier hinein.
Beste Grüße,
Joseph
Anhang:
erst einmal gutes neues Jahr.
Beim Thema, das Dich so sehr beschäftigt, fangen wir anscheinend an, uns im Kreis zu drehen.
Die "revolutionäre Änderung ..., die ihre Auswirkungen nicht allein in der Finanzierung der Wirtschaft hat" sehe ich nicht als sonderlich revolutionär, vor allem, sie hat meines Erachtens längst stattgefunden. Die meisten Kreditbanken rund um den Globus geben heute Kredit vor allem für Bau- und Hypothenkredit (überwiegend privathaushaltlich, also 'konsumtiv'), auch sonst für Konsumentenkredit und Überziehungskredit. Investitionskredit an kleine und mittlere Unternehmen stellt inzwischen den geringeren Teil der Bankenkredite dar. Die größeren Unternehmen darüber hinaus finanzieren sich überwiegend am Kapitalmarkt jenseits der Banken (oder hat konzerneigene Banken). Egal ob groß der klein, Firmen-, Staats- oder Privathaushalt, und egal wie sie das Geld beschaffen, sie kaufen damit in großem Umfang Produkte und Dienste, für die es realwirtschaftlich gesehen völlig egal ist, ob sie als Investition oder Konsum verbucht werden, zum Beispiel PKWs, Elektrogeräte, Rechts- und Steuerberatungsdienste, Möbel und sonstige Innenausstattungen, Verkehr, Hotellerie und Gaststättendienste, in gewissem Umfang Gesundheits- und Bildungsdienste ...
Die Gewerkschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten der supply side economics doch völlig zurecht die demand side economics und die Theorie der Massenkaufkraft entgegen gehalten. Angebot und Nachfrage, inklusive ihrer Finanzierung, sind heute aufs engste rückgekoppelt, gleich ob am Anfang oder am Ende vertikaler Arbeitsketten. Außerdem sinkt durch eine Vollgeldreform (nicht nur, aber auch durch sie) nach und nach das Gesamtausmaß der verzinslichen Finanzvermögen, weil sich Geldmengenpolitik dann am Knappheitsanker des realwirtschaftlichen Produktionspotenzials orientiert, sodass der Anteil der Arbeitseinkommen wieder steigt. Das kann den Gewerkschaften doch nur recht sein.
Zufällig sitze ich gerade an einem Manuskript zum Chicago Plan Revisited. Einer der Autoren, Michael Kumhof, vertritt ja eine gleiche Auffassung wie Du. Was ich dazu sage, kopiere ich nachstehend hier hinein.
Beste Grüße,
Joseph
Anhang:
... One
element of the Kumhof plan is to restrict additional credit creation to
investment credit only and to
compel the treasury to always fulfil the demand from investment trusts for
additional money for investment credit:
'Under the Chicago Plan … the government has completely taken away the
power of financial institutions to create their own funds in the act of
lending. Instead they have to compete for spare cash, and the government can
influence the quantity of such non-bank financial intermediation by adjusting
the quantity of money. But for investment loans financial institutions partly
retain that privilege, because the government is on call to supply funds
whenever they want to lend more' (xx). - Banks thus 'still retain a
lot of control over the total volume of investment credit' (7) - '…
the only credit remains is lending for productive purposes' (19). - 'Credit
consists only of investment loans' (7).
Treasury
(not central bank) is ascribed the role of 'lender of last resort for
businesses and companies' (xx). The treasury is bound to willingly finance any
demand for investment credit.
The
background to this, and to the overriding significance of investment credit in
the Kumhof plan, seems to be mechanical-sequence ideas of old according to
which credit (new money) must enter the economy through business investment. In
my analysis this is an outdated 19th century productivist
assumption, (neo-)classical and (neo-) Austrian-school axiomatics, detached
from present-day realities, though for a while resurgent in the 1970–80s as
half-blind supply-side ideology.
The idea may
have been plausible in earlier stages of the Great Transition from traditional
to modern economies, when productive capacity still was not sufficiently big
and flexible, and lagged behind potential consumer demand so that additions to
consumptive funds may have created inflation in the first instance rather than
contributing to the build-up of productive capacity.
In today's
more advanced economies such a mechanism of 'first production, then
consumption' does not apply anymore. What serves production best today is
sustained rather than deferred consumption. Production and consumption, work
and leisure, match one another much better than in former stages of
industrialisation. Productive capacities are big and flexible, the more so in
globalised chains of production and trade. Quality consumption may not be
saturated, though quantity consumption is, as far as old-industrial countries
are concerned.
From the
microeconomic perspective of private and public households and companies the
distinction between investive and consumptive allocation still makes some
sense, even though respective classifications are often enough quite arbitrary.
On the macroeconomic level of a service and high-tech economy the difference
between investive and consumptive expenditure vanishes ever more, which
basically applies to government budgets and private households as much as to
companies. Supply side and demand side are indissociably interrelated in one
feedback system, no matter whether upstream or downstream the chains of
provision. Also in the financial system, and its interfaces with the real
economy, money circulates from anywhere to everywhere.
Funding of
production and consumption is
not necessarily dependent on having loanable funds available but can also be
based on deliberate additional creation of fiat money. New money can be
inserted into the economy through a variety of channels, no matter whether
dubbed consumptive or investive. There is no mechanical sequence in the money
circuit. There is no need for rules like 'First production, then
consumption', or 'First private, then public distribution'. The more relevant
question today is whether disposable income and new money feed real-economic
purposes, or whether the money is put in self-referential asset-inflationary
financial investment largely detached from real-economic purposes.
Von: Ernst Dorfner
[mailto:taxos.ernstdorfner@tele2.at]
Gesendet: Sonntag, 12. Januar 2014 14:56
An: 'Joseph Huber'
Betreff: AW: AW: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Gesendet: Sonntag, 12. Januar 2014 14:56
An: 'Joseph Huber'
Betreff: AW: AW: wg Geld als Finanz- und Tauschmittel,
Lieber
Joseph,
du
schreibst:
“Die meisten
Kreditbanken rund um den Globus geben heute Kredit vor allem für Bau- und
Hypothekenkredit (überwiegend privathaushaltlich, also 'konsumtiv'), auch sonst
für Konsumentenkredit und Überziehungskredit. Investitionskredit an kleine und
mittlere Unternehmen stellt inzwischen den geringeren Teil der Bankenkredite
dar. Die größeren Unternehmen darüber hinaus finanzieren sich überwiegend am
Kapitalmarkt jenseits der Banken (oder hat konzerneigene Banken).“
Folgt man
nun dieser Meinung, dass der Kredit - und damit auch die
Kreditgeldschöpfung - von untergeordneter Bedeutung sind, dann stellt
sich allerdings die Frage, warum dann die Einführung von Vollgeld
überhaupt notwendig ist.
Es ist daher
klarzustellen, dass unter dem Begriff „Kredite“ nicht nur Kredite im
engeren Sinn zu verstehen sind, sondern damit die ganzen
Kapitalmarktpapiere [Kapitalmarktpapiere
(F.332)
subsumiert werden.
Ernst
[1] „Die „List der Vernunft“, die im geldwirtschaftlichen
System wirkt, besteht nun darin, dass sich die Produzenten durch die Aufnahme
von Krediten aus dem neugeschöpftem Geld gleichzeitig die Nachfrage schaffen,
die nötig ist, damit sie ihre Waren mit Gewinn absetzen können. Die Kredite
werden ja dazu benutzt, Löhne und Eigentümerrenten zu bezahlen, also zusätzliches
Einkommen entstehen zu lassen, und zwar, bevor die Waren auf den Markt kommen.
..... Fassen wir zusammen: die erste und die zweite Voraussetzung des Wachstums
bedingen sich gegenseitig: Geld- und Kreditschöpfung setzen Wachstum, d.h.
Netto-Investitionen voraus, und durch Wachstum, d.h. durch Netto-Investitionen
wird es möglich, die Geldmenge zu vermehren, ohne dass - trotz
Vollbeschäftigung der Arbeit - die Preise proportional zur Geldmenge
steigen.
(H.C. Binswanger, Geld
& Natur, S.102ff)